Duve, Karen - Sisi
Roman über die legendäre Kaiserin
Karen Duve hatte eigentlich vor, ein Buch über Pferde zu schreiben. Bei der Recherche dazu stieß sie auf Elisabeth, die Kaiserin von Österreich, eine der besten Sportreiterinnen der Welt zu ihrer Zeit. Sisi, so auch der Titel des Romans, kannte sie wie die meisten nur aus den kitschigen Fünfziger-Jahre-Filmen mit Romy Schneider. Doch je mehr sie über sie erfuhr, desto faszinierter war sie von der charismatischen Kaiserin.
Im Leben der legendär gewordenen Kaiserin spielten Pferde eine überaus wichtige Rolle. Als die bayrische Prinzessin Elisabeth (1837-1898) durch Heirat 1854 zur Kaiserin von Österreich wird, betritt sie eine streng geordnete Welt voller steifer Konventionen und langwieriger Empfänge. Mit der Zeit bricht sie mittels ausgedehnter Reisen quer durch die Welt und mit langen Aufenthalten auf ihrem ungarischen Lieblingsschloss Gödöllö aus dieser lähmenden Routine aus. In Gödöllö kann sie ungezwungen leben und ihrer größten Leidenschaft nachgehen, den wilden Reitjagden.
Und am liebsten reist sie nach England zu den großen, halsbrecherischen Fuchsjagden auf Pferd. Kein Wassergraben ist ihr zu breit, kein Hindernis zu gefährlich, die Kaiserin gehört zu den besten und tollkühnsten Reiterinnen ihrer Zeit. Der legendäre Jagd- und Rennreiter Bay Middleton bewunderte sie deswegen besonders – doch nicht nur für ihr reiterliches Können. Sie kamen sich sehr nahe und es ist historisch nicht gesichert, wie nahe sie sich wirklich kamen. Wie so viele, die mit der Kaiserin zu tun hatten, wie auch ihre Hofdamen, ihre Reitlehrer, ihre Kavaliere, trat man eventuell mit Vorbehalten oder sogar Abneigung in ihren Dienst, und zwei Wochen später war man ihr völlig verfallen.
Karen Duve las sich durch das Material zur Kultkaiserin und konzentrierte sich in ihrem Roman auf die Kaiserin in ihren Enddreißigern. Es ist der Moment, in dem die „schönste Frau der Welt“, wie viele meinten, zu altern beginnt. Durchaus ein hochdramatischer Abschnitt in ihrem Leben. Wenn Sisi nicht reitet, ist sie damit beschäftigt, das Altern hinauszuzögern und stattdessen noch schöner zu werden. Sie turnt, hungert und pflegt sich täglich stundenlang. Ihre eigene Schönheit ist neben dem Reiten und ihrer Lieblingstochter ihre größte Passion gewesen.
Karen Duves Sisi kann empfindsam und dann wieder gefühllos sein, manchmal auch intrigant, zu ihrem Personal genau wie gegenüber engen Verwandten: „Es ist, als hätte sie aus zehn verschiedenen Personen, von denen vier unsympathisch und sechs ganz reizend sind, bestanden. Aber man weiß nie, auf welche man gerade trifft.“ Glücklich ist sie nur beim Reiten, dann leuchtet sie geradezu, dann ist ihr kein Hindernis zu schwer, kein Graben zu breit. Eine Kaiserin, die ihrer Zeit angeblich oft weit voraus war. Diese komplexen und dramatischen Persönlichkeitsstrukturen möchte Karen Duve in ihrem ambitionierten (und auch mutigen) Roman darstellen, aufzeigen, dass diese Frau auch heute noch unterschätzt wird. Doch leider gelingt ihr das nicht.
Brigitte Winter
Duve, Karen - Sisi
Roman. Berlin: Galiani 2022. 416 S. - fest geb. : € 26,80 (DR)
ISBN 978-3-86971-210-9