Belton, Catherine - Putins Netz
Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste
Niemand hat geahnt, als Ende der 1980er-Jahre die Sowjetunion zusammenbrach, dass einmal ein ehemaliger KGB-Agent sich über Jahrzehnte als russischer Präsident behaupten würde. Wie die ehemalige Moskaukorrespondentin der „Financial Times“, Catherine Belton, die mit zahlreichen ehemaligen Kreml-Insidern gesprochen hat (etwas, das bisher einmalig sein dürfte), in ihrem Buch zeigt, stützt der Autokrat Wladimir Putin seine Macht vor allem auf ein Netzwerk früherer KGB-Agenten, dessen Einflussnahme weit über Russland hinausreicht.
Die Analyse seines Aufstiegs unter der Schirmherrschaft des KGB vom Agenten in Dresden über das Kabinett des Petersburger Reform-Bürgermeisters bis hin zum Nachfolger Boris Jelzins zeigt ihn in einem neuen Licht. Putin stoppte die chaotische neoliberale Umwandlung der russischen Wirtschaft, die soziale Gegensätze und eine gesetzlose Oligarchie erzeugte. Er leitete dieses System aber nur um, hat die Oligarchen in seinen Dienst gezwungen und seine eigenen Leute dadurch bereichert. Und er unterwandert systematisch die liberalen Demokratien im Westen.
In ihrem genau recherchierten Buch zeigt Catherine Belton, wie das alte KGB-Netzwerk mittels Putin seine Macht zurückerobert hat. Früher als andere hatte der Geheimdienst den Zusammenbruch der Sowjetunion kommen sehen und Milliarden aus dem Land geschafft und ein Netzwerk für die Zeit danach aufgebaut. Belton zeichnet detailliert nach, wie dieses Netzwerk die Macht zurückerobert und seinen Einfluss auf Finanzzentren in London, New York und auch Wien ausgebaut hat. Durch eine skrupellose Vorgangsweise: unliebsame Wirtschaftsakteure wurden aus dem Weg geräumt, Unternehmen enteignet und wieder unter die großen Staatskonzerne gezwungen. Personen aus der Petersburger Unterwelt, derer sich der KGB schon zu Sowjetzeiten bedient hatte, tauchen in aktuellen Fällen von Geldwäsche, Korruption und Mordanschlägen gegen Kritiker im Exil wieder auf. Auch Wien bildet da eine Konstante im korrumpierenden Einfluss auf westliche Demokratien. Man denke nur an die Rolle einiger Banken und Mittelsmänner bei dubiosen Geldtransfers bis hin zu den russischen Versorgungsposten für ehemalige österreichische Spitzenpolitiker diverser Parteien.
Das Buch von Catherine Belton ist eine großartige Analyse des Systems Putin. Erbarmungslos beleuchtet sie ein mafiöses Geflecht aus Kontrolle, Korruption und Machtbesessenheit. Das gefällt naturgemäß nicht allen Protagonisten. Es sind Männer, deren Macht Putin zu groß wurde und die nun mitunter selbst vom Kreml „gejagt“ werden. Das Buch liest sich in all seiner Komplexität so spannend wie ein Agententhriller.
Robert Leiner
Belton, Catherine - Putins Netz
Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste. München: HarperCollins 2022. 605 S. - fest geb. : 26,80 (GP)
ISBN 978-3-7499-0328-3