Noll, Chaim - Die Wüste
Literaturgeschichte einer Urlandschaft des Menschen
Ein im ersten Blick etwas befremdliches Thema: Die Wüste in der Literaturgeschichte. Doch der Autor hat überzeugende Gründe, auch persönliche. Chaim Noll wurde als Sohn des DDR-Schriftstellers Dieter Noll 1954 geboren und lebt seit 1997 mit seiner Familie in der Wüste Negev in Israel. Vom ersten Augenblick an hat ihn die Wüste motiviert und literarisch inspiriert. Dieses Buch enthält also die Ausbeute von mehr als zwanzig Jahren Materialsuche und Lektüre.
Anhand literarischer Texte von der Entstehung der Schrift bis zur Gegenwart hält er Themen und Leitmotive einer Urlandschaft des Menschen überblicksartig fest. Viele der alten Hochkulturen entstanden, wo Wüste auf besiedelbares Land trifft. Als zentrales Motiv erweist sich die Widersprüchlichkeit der Wüste: Sie steht zugleich für Dürre und Aufblühen, für Mangel an Wasser und Überfülle an Sonne, für Niedergang und Erneuerung, für deprimierende Einförmigkeit und spirituellen Höhenflug, für Tod und Leben, Gut und Böse, Realität und Mythos.
All dies zeigt er in seinem umfassenden Buch seiner gesammelten Forschungen chronologisch an ausgewählten Beispielen von Mesopotamien, dem Alten Ägypten, der Bibel, griechischer und römischer Literatur, arabischer Literatur, Sufismus, Werke der Pilger, Kreuzfahrer, Reisenden bis in unsere Zeit, also Saint-Exupéry, Albert Camus, Elias Canetti, Ingeborg Bachmann, Jean-Marie Le Clézio u.v.a.
Ein überwältigendes Buch voller Schätze.
Robert Leiner
Noll, Chaim - Die Wüste
Literaturgeschichte einer Urlandschaft des Menschen. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2020. 677 S. - fest geb. : € 39,10 (PL)
ISBN 978-3-374-06357-4